Ehrlich gesagt: spontane Begeisterung ruft die neue Jahreslosung bei mir nicht hervor.
– das klingt für meine Ohren irgendwie kitschig, zu sehr nach heiler Welt.
Einfach ein bisschen rosaroten Zuckerguss über die großen Probleme der Welt gießen, und schon herrscht Friede, Freude, Eierkuchen? Da regt sich Widerstand bei mir: so einfach ist das doch nicht!
Diese Worte stammen von Paulus. Sie stehen am Ende seines ersten Briefes an die Christinnen und Christen in Korinth. Die Gemeinde hatte Paulus selbst erst ein paar Jahre vorher gegründet. Korinth war eine griechische Hafenstadt, in der das Leben pulsierte und der Handel blühte. Die Bevölkerung war kulturell, religiös und sozial vielfältig, und das spiegelte sich auch in der christlichen Gemeinde wider. Zu ihr gehörten viele arme, aber auch einige sehr reiche Menschen. Lebensweisen und Lebenswelten prallten da aufeinander – es gab also reichlich Konfliktpotential. Schon bald nachdem Paulus abgereist war, ging der Ärger los: man stritt sich um Rangfolge und Macht, polarisierte zwischen Arm und Reich, es gab Auseinandersetzungen zu Fragen der Ehe, zur richtigen Feier des Abendmahls und zum Umgang mit Geld. Es kam zu Spaltungen innerhalb der Gemeinde, das große Ganze geriet aus dem Blick.
Also alles andere als heile Welt!
Paulus geht in seinen Briefen ausführlich auf die Missstände ein und redet den Korinthern ordentlich ins Gewissen. Er ruft sie dazu auf, sich endlich wieder auf das Fundament des Glaubens zu besinnen – und das ist Jesus Christus allein. Maßstab jeden Handelns kann deshalb nur eins sein: nämlich die Liebe.
Im Griechischen gibt es für „Liebe“ nicht nur ein, sondern gleich drei Wörter. Bei dem Wort „Agape“, das Paulus hier verwendet, geht es nicht um Emotionen und Romantik, sondern um die uneigennützige, zwischenmenschliche Liebe – eine Lebenshaltung, die sich aus Gottes Liebe speist. Weil Gott uns zuerst geliebt hat, können wir überhaupt erst mit der gleichen Grundhaltung auf andere Menschen zugehen. Und da kommt es nicht darauf an, ob sie uns sympathisch sind oder genauso denken wie wir.
Auch Menschen, die uns tierisch auf die Nerven gehen, sind Gottes geliebte
Kinder – und so sollen wir sie behandeln. Keine leichte Aufgabe – das weiß Paulus auch. Eher ein lebenslanges Übungsfeld, das uns ganz schön fordert und herausfordert.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – ich glaube, die Jahreslosung beginnt mir doch zu gefallen.
Ihre Pfarrerin Helga von Niedner
Hinweis:
Das Pfarramt ist vom 2. bis 4. April nicht besetzt. Die Vertretungsregelungen entnehmen Sie bitte unserem Anrufbeantworter. Vielen Dank.